Man ist versucht beim Neptungras als Dämmstoff von einer grandiosen Erfindung zu sprechen aber das trifft es eigentlich nicht. Möchte man die Entwicklungsgeschichte der Dämmung aus Neptungras erzählen, müsste man eher von einer Findung berichten.

Neptungras als Bälle am Strand

Doch lasst mich von Vorne anfangen: Alles begann vor einigen Jahren in Spanien wo der deutsche Architekturprofessor Richard Meier seinen Sommerurlaub verbrachte um seinem Hobby nachzugehen, Kitesurfen.

Dabei wird er am Strand auf diese kleinen braunen Filzbällchen aufmerksam die ihr bestimmt auch schon mal gesehen habt. Er friemelt einige auseinander und auf Grund ihrer Struktur und Faserung kommt ihm die Idee ob man sie nicht irgendwie im Bereich der Dämmung einsetzen könnte.

Neptungras in der Testphase

Er nimmt einige Bälle vom Neptungras mit nach Hause und weil er nunmal Professor der Architektur ist, lässt er sie dort auch gleich vom Fraunhofer Institut für Bauphysik bezüglich ihrer Materialeigenschaften untersuchen.

Das Ergebnis ist verblüffend: Hat man das Neptungras einmal auseinander gerupft erhält man eine wollähnliche Masse, sie ist sehr schwer entflammbar, nimmt Feuchtigkeit auf, gibt sie wieder ab (ohne Schimmelbildung ) und hat ganz hervorragende Dämmwerte, das ideale Dämmmaterial.

…und wieder Spanien
Wieder zurück in Spanien macht unser Professor sich nun daran etwas über die Herkunft der kleinen Bällchen herauszufinden. Unter Wasser entdeckt er ganze Wiesen einer grasartigen Pflanze mit bis zu einen Meter langen Blättern, es ist die Posidonia oceanica, zu Deutsch See- oder Neptungras.

Das Neptungras gedeiht ausschließlich im Mittelmeer und bedeckt dort Quadratkilometer große Flächen. Sie ist ausgesprochen wichtig für das dortige Ökosystem, verhindert Erosion und filtert deutlich mehr Kohlendioxid als zum Beispiel vergleichbare Flächen Regenwald. Im Herbst verliert das Neptungras ihre alten Blätter und auch Winterstürme lösen nochmals Fasern aus. Diese werden durch die stetigen Wellenbewegungen und die Strömung durcheinender gewirbelt, verfilzen zunehmend und bilden so nach einiger Zeit die kleinen Bällchen welche dann an die Strände gespült werden.
Neptungras von NeptuTherm im Anwendungsbeispiel
Da die Grasbälle in Massen nun so garnicht zum Bild des weißen, unberührten Strandes passen welchen die Touristen so lieben, sammeln die Anrainerstaaten des Mittelmeers sie vielerorts jeden Morgen mit Hilfe von Traktoren und großen Rechen wieder ein. Schnell ist Professor Richard Meier sich mit den ersten Behörden einig: Man kann sich sehr gut vorstellen, das Neptungras nicht mehr vor Ort zu entsorgen sondern statt dessen zu verladen und nach Deutschland transportieren zu lassen: Eine win-win-Situation!

NeptuTherm-Testurteil: Sehr gut

Der Rest der Erfolgsgeschichte ist schnell erzählt. 2007 läßt Professor Meier sein Produkt patentieren, bis 2010 bringt er es zur Marktreife. Im Prinzip müssen die Seegrasbälle nur zerkleinert und vom Sand befreit werden, eine Zugabe von Brandhemmern oder Ähnlichem ist nicht nötig.

Verarbeitet wird das Neptungras wie jeder andere Dämmstoff auch, es kann eingeblasen, gestopft oder einfach geschüttet werden, zur Entwicklung einer Matte fehlt es heute einzig noch am geeigneten Kleber.

Posidonia oceanica, Gefahren und Gegenmaßnahmen

Die einzige Gefahr für das „Happy End” meiner Geschichte liegt im Klimawandel und der starken Zunahme des Bootstourismus im Mittelmeer. Obwohl die Posidonia oceanica zu den ältesten Lebewesen unseres Planeten zählen (einzelne Pflanzensysteme sind über 80.000 Jahre alt) ist ihr Bestand in den letzten hundert Jahren um dreißig Prozent zurück gegangen.

Vielerorts hat man begonnen die Seegraswiesen systematisch aufzuforsten, ob diese Maßnahmen greifen und ausreichend sind, wird aber wohl erst die Zukunft zeigen.

Für weitere Infos kann ich euch die Sachgeschichte aus der Sendung mit der Maus zum Thema Neptungras vom 14.07.2013 empfehlen, wie immer informativ und witzig für kleine und große Kinder 😉